Eigentlich sollten sich die thüringischen Kommunen freuen. Nach Mitteilung des Thüringer Landesamtes für Statistik haben die Kommunen im Jahr 2013 ein Finanzierungssaldo von 81 Mio. EUR erzielt. Aber: Heißt Finanzierungssaldo tatsächlich Überschuss? 81 Mio. EUR entsprechen immerhin gut 0,01 % der kommunalen Gesamteinnahmen des Jahres 2013. Ein wahrhaft stolzer Betrag, den die Kommunen erwirtschaftet haben, möchte man meinen.
Jedenfalls würden sich die thüringischen Kommunen auch freuen, wenn dieser Betrag tatsächlich als Signal für eine Entspannung in den kommunalen Haushalten gedeutet werden könnte. Dies ist allerdings nicht der Fall!
Denn neben dem Finanzierungssaldo von 81 Mio. EUR werden in der Mitteilung des Landesamtes für Statistik beispielsweise noch Tilgungsverpflichtungen der Kommunen in Höhe von ca. 92 Mio. EUR ausgewiesen, zu deren Zahlung sie vertraglich verpflichtet waren. Daher mussten hierfür nicht nur der angebliche Überschuss von 81 Mio. EUR, sondern zusätzliche kommunale Finanzmittel von 11 Mio. EUR aufgewendet werden. Allein schon deshalb ist für das Jahr 2013 kein Überschuss, sondern ein Defizit entstanden. Neue Kredite werden den Kommunen in der Regel nicht mehr genehmigt, dafür sind sie zu arm.
Darüber hinaus vermeldete das Thüringer Landesamt für Statistik per 30. September 2013 noch ein kommunales Finanzierungsdefizit von knapp 47 Mio. EUR. Die in Rede stehenden zusätzlichen Einnahmen sind also alle im 4. Quartal des vergangenen Jahres den Kommunen zugeflossen. Der Großteil dieser Einnahmen entfällt auf Zuweisungen des Landes die leider noch immer mit über 52 % den größten Anteil der kommunalen Einnahmen bilden. Hier wäre es an der Zeit, dass diese Zahlungen rechtzeitiger den Gemeinden und Städten zufließen müssen, damit diese Beträge noch im laufenden Jahr beispielsweise für dringend erforderliche Unterhaltungsmaßnahmen oder Investitionen verwendet werden können.
Der späte Zufluss macht es den Kommunen vielfach unmöglich, die Maßnahmen im laufenden Jahr noch umzusetzen. Die Einnahmen sind also veranschlagt, die Ausgaben erfolgen erst in den kommenden Jahren. Auf dem Papier wird ein Überschuss ausgewiesen.
Dabei wäre es dringend erforderlich gerade die Investitionsausgaben zu steigern. Der jährliche Substanzverlust, den die Kommune zu verzeichnen haben, ist besorgniserregend. Ein riesiger Investitionsstau wird in Thüringen auf kommunaler Ebene vor sich her geschoben. Tatsächlich investiert wurde im Jahr 2013 lediglich eine Summe von etwa 590 Mio. EUR, während u. a. das Deutsche Institut für Urbanistik in Berlin für die thüringischen Kommunen einen jährlichen Investitionsbedarf von 1,5 Mrd. EUR, also fast das 3‐fache, ermittelt hat.
An der prekären finanziellen Situation der Kommunen ändern derzeit auch höhere Steuereinnahmen kaum etwas. Nur etwa 27 % der kommunalen Ausgaben konnten im Jahr 2013 über Steuern finanziert werden. Dass sich der Thüringer Finanzminister darüber freut und erklärt, dass die Kommunen überdurchschnittlich von der bundesweit guten Steuerentwicklung profitiertn, ist nachvollziehbar, dafür gibt es einen guten Grund: Denn von kommunalen Steuermehreinnahmen profitiert besonders das Land.
Der Präsident des Gemeinde‐ und Städtebundes Thüringen, der Waltershäuser Bürgermeister Michael Brychcy, äußerte sich heute hierzu in Erfurt: „Finanzminister Dr. Voß versteht es wie kein Zweiter, nach dem Grundsatz zu arbeiten, alles was du sagst muss wahr sein, aber du musst nicht alles sagen, was wahr ist.“ Denn Finanzminister Dr. Voß weiß, dass jede Steuermehreinnahme bei den Kommunen die Zuführungen des Landes an die Gemeinden und Städte reduziert. Je mehr Steuern in den kommunalen Kassen eingehen, desto weniger muss er an die Kommunen auszahlen. Sprudelnde Steuereinnahmen bei den Kommunen helfen also nicht nur den Gemeinden und Städten, sondern helfen ganz besonders dem Land.
Solange also die Einnahmen des Landes mit über 50 % den größten Anteil an den kommunalen Einnahmen ausmachen, solange die Steuerdeckungsquote noch nicht einmal 30 % beträgt, solange die thüringischen Kommunen von ihrer Substanz leben und einen riesigen Investitionsstau vor sich herschieben, solange die Kommunen von den jährlich steigenden Sozialhilfekosten nicht deutlich entlastet werden, solange sind auch weitere zusätzliche Landeshilfen für die Kommunen in Thüringen dringend erforderlich.